Publikation im Schnittpunkt Mediation - Anwaltstätigkeit: Sprache fördert Vertrauen

Tipps • Erkenntnisse aus der Kommunikationspsychologie und der Mediation können die Qualität der Arbeit als beratender und prozessierender Anwalt steigern. Tipps von Jakob Frauenfelder, Rechtsanwalt in Zürich.

Quelle: Zeitschrift Plädoyer, J. Frauenfelder, Sprache fördert Vertrauen, Ausgabe 4/2021

1. Vertrauen steigern.

Als Anwalt kann ich nur gute Arbeit leisten, wenn ich zum Mandanten eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen kann. Das wesentliche Werkzeug dafür ist die Sprache.

 

2. Den Empfang der Botschaft sicherstellen.

Juristen sprechen oft in einer Sprache, die keinen optimalen Wirkungsgrad entfaltet, die nicht «ankommt». Beispiele: Trotz Instruktion vor der Hauptverhandlung stellt sich ein Mandant denkbar unvorteilhaft an. Oder: Eine Klientin erwartet trotz klarer Abgrenzung der Rechtsfragen, dass der Anwalt sich all ihrer Probleme annimmt. Es genügt nicht, etwas gesagt zu haben. Ich muss dafür sorgen, dass meine Botschaft beim Adressaten möglichst wirkungsvoll ankommt.

 

3. Die passende Ebene finden.

Beim Erstkontakt geht es vorerst darum, den Mandanten «emotional abzuholen». Sonst wird er nicht für rationale Überlegungen bereit sein. Es bringt nichts, zu sagen, man habe ihn verstanden. Im Gegenteil: Der Satz «Ich verstehe Sie» ist oft unwahr. Als Anwalt weiss ich nicht, wie es ist, in der Haut meiner Klientin zu stecken, die aus heiterem Himmel verhaftet wurde.

 

4. Einfühlendes Zuhören.

Ich höre aktiv, aufmerksam und einfühlend zu. Sprich: Ich versuche nachzuvollziehen, was bei meinem Gegenüber ist. Ich überprüfe das, indem ich ausspreche, was ich verstanden habe. Dieses Wiederholen insbesondere von Schlüsselstellen («Aha, Sie würden am liebsten den Job hinschmeissen») kann beim Gegenüber zu «Bingo»-Momenten führen — er wird sich verstanden fühlen.

 

5. Zuhören statt anderes denken.

Ich kann nur echt zuhören, wenn ich nicht bereits an der nächsten Frage herumstudiere.

 

6. Nicht rationalisieren.

Wenn der Klient sagt: «Eine Einigungsverhandlung bringt nichts. Ich würde die Gegenseite verprügeln», wiederhole ich: «Aha, ich sehe, Sie sind so wütend, wir müssten also vor einer Vergleichsverhandlung zuerst mal die Gegenpartei verprügeln» — «Ja, genau!» Für den Klienten kann es befreiend sein, zu merken, dass das Gegenüber nicht fixe Vorstellungen für die Situation hat. Akzeptiert man seine momentane Stimmung und Lage, führt das überraschend oft dazu, dass der Klient von sich aus realistischere Optionen vorschlägt.

 

7. Keine moralischen Ratschläge geben.

Der Verzicht auf Ratschläge ist eine Voraussetzung für die Vertiefung einer Beziehung. Was löst es in einer emotionalen Situation aus, wenn mein Gegenüber sagt, ich solle doch vernünftig sein? Ratschläge laufen dem Gefühl zuwider, verstanden zu werden. Sie verhindern eine Begegnung auf Augenhöhe.

 

8. Verantwortungsvoll sprechen.

Indem ich eine moralisierende und bürokratische Sprache vermeide, werden meine Inputs authentischer. Ich übernehme Verantwortung dafür. Statt «Ich muss» sage ich «Ich will» oder «Ich schlage vor». Oder ich erkläre offen: «Für mich ist es schwierig, was Sie sagen in einen juristischen Antrag zu packen.» Ich bin mir bewusst, welche Ebene ich mit meinem Gegenüber bespreche. Menschliche Impulse versuche ich authentisch auszudrücken, juristische Inputs fasse ich in Klartext.

 

9. Rollenspiele durchbrechen.

Oft nehmen Klienten Rollen ein: der von der Justiz im Stich gelassene Vater oder der überkorrekte Excel-Tabellen-Ersteller. Dann frage ich nach, was meinem Gegenüber wichtig ist, und wiederhole es. So versuche ich, das Wesentliche tatsächlich zu verstehen und verringere die Gefahr, dass ich unbewusst in die Dynamik einsteige und für den Vater den «Rächer» oder für den Excel-Ersteller den übereifrigen Anwalt spiele.

 

10. Innere Widerstände thematisieren.

Verhalte ich mich authentisch, mache ich mir den Job einfacher und es fällt mir leichter, meine Klienten zu mögen. Ich kann dann meinen Wissens- und Erfahrungsschatz unverstellter einbringen. Allgemein werden mehr Ebenen, Themen und Optionen besprechbar. Sinnlose Leerlaufarbeiten — etwa mit dem Ziel, dem Klienten zu demonstrieren, dass ich mich für ihn einsetze — können vermieden werden. Ich werde zum echten Berater und Fürsprecher meines Klienten — statt zum eilfertigen Dienstleister.

Literatur

  • Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommuni-kation, Junfermann Verlag, ca. Fr. 34.-
  • Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden 1-3, Rororo, ca. Fr. 14.- pro Band
  • Christoph Thomann/ Friedemann Schulz von Thun, Klärungshilfe 1, Rororo, ca. Fr. 14.-
  • Manfred Gührs/Claus Nowak, Das konstruktive Gespräch, Limmer Verlag, ca. Fr. 39.-
Download
Publikation Jakob Frauenfelder: Plädoyer_04_21
Tipps von Jakob Frauenfelder_plädoyer_4
Adobe Acrobat Dokument 888.8 KB